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Schwanger Ü40 – Wenn die Schwangerschaft überschattet wird von Unsicherheit und Angst

Autorenbild: Constanze WagnerConstanze Wagner

Aktualisiert: 6. März 2020

Trisomie, Anomalie, Behinderung keiner wünscht sich das oder sucht es sich aus. Mit dem nicht-invasiven Harmony Prenatal Test über einfache Blutentnahme ab der SSW 10 lassen sich Chromosomenstörungen frühzeitig mit hoher Genauigkeit erkennen. Nach dem unauffälligen Testergebnis war ich überglücklich. Mit meinem absoluten Wunschkind ist alles in bester Ordnung. Dank des Tests wurde mir gemäß Gendiagnostik-Gesetz mit Erreichen der SSW 14 auch mitgeteilt, dass es ein Mädchen wird. Der Grund für diesen Zeitpunkt ist, dass so Abtreibungen wegen ungewünschter Geschlechter verhindert werden sollen. Allein der Gedanke jagt mir einen Schauer über den Rücken.


In der SSW 25 ging ich völlig unvoreingenommen auf Anraten meines Frauenarztes zur pränatalen Feindiagnostik (DEGUM Stufe II - Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin). Nach einer 2. Kontrolluntersuchung stand die Diagnose fest: Pes equinovarus (beidseitiger Klumpfuß – Fehlstellung des Fußes), Ursachen weitestgehend unbekannt sofern kein naher Verwandter betroffen ist. In Deutschland kommen etwa 1-3 Neugeborene von 1.000 Babys mit einem Klumpfuß zur Welt. Jungen sind doppelt so häufig betroffen wie Mädchen. Ich habe in der Schwangerschaft weder geraucht noch Alkohol konsumiert.


Nach Auffälligkeiten bei solch einer Untersuchung stolpert man nun über Softmarker der Pränataldiagnostik wie z. B. Klumpfüße, vermehrtes Fruchtwasser, Nierenstau um nur einige „harmlose“ zu benennen und die unendliche Angst-Spirale beginnt.


Auch frühkindliche Hirnschädigung durch Sauerstoffmangel kann zu Deformitäten wie dem Klumpfuß führen. Ein Klumpfuß kann allein oder kombiniert mit anderen Fehlbildungen auftreten.


Diese moderne Diagnostik kann die Unsicherheiten der werdenden Eltern deutlich verstärken, anstatt sie zu lösen.


Es folgte eine Gendiagnostik in einem ausführlichen Gespräch mit einem Humangenetiker sowie eine weitere pränatale Feindiagnostik (DEGUM Stufe III) in Frankfurt. Wobei hier wohl schon davon ausgegangen wurde, dass ich eine Fruchtwasseruntersuchung (Punktion) vornehmen lasse. Diese kann allerdings das Ungeborene schädigen. Etwa einer von 200 Föten überlebt eine Punktion nicht. Es besteht zudem die Gefahr einer Frühgeburt. Nach diesem Ultraschall wurde mir abschließend bestätigt „idiopathische Klumpfüße“ mit nicht bekannter Ursache und ohne weitere ersichtlichen Krankheiten. Was hätte eine Punktion zu dem Zeitpunkt gebracht? Was macht man mit dem Ergebnis? Falls klar ist, dass man das Kind behält egal was bei dieser Untersuchung festgestellt wird sollte sich den Eingriff gut überlegen. Zumal die Punktion zusätzlichen Schaden anrichten könnte. Würde man auch in der vorangeschrittenen Schwangerschaft noch abtreiben? Was wenn sich die Ärzte irren und das Kind gesund ist. Es zudem Ü40 womöglich die letzte Schwangerschaft ist. Zumal bereits zwei Abgänge vorangegangen sind.


An diesem Tag fuhr ich jedenfalls überglücklich nach 7 Stunden in Frankfurt des schier endlosen Wartens nach Hause.


Nun hatte ich noch genügend Zeit, mich über verschiedene Therapieformen zu informieren und den behandelten Wunsch-Arzt auszusuchen. Nach einem Vorgespräch mit dem weltweit anerkannten und in der Branche wohl einzigartigen Dr. Foot war ich wieder zuversichtlich.


Die Wahl der Geburtsklinik stand an. Eine renommierte Universitätsklinik klärte mich auf, dass bei Frauen Ü40 häufig eine Plazentainsuffizienz eintritt, die zur Unterversorgung des Säuglings führt und deshalb 2 Wochen vor dem errechneten Geburtstermins eingeleitet wird. Geburt Nr. 2.347 in diesem Jahr mit der sich die Klinik wohl nicht brüsten kann. Die Klinik im Rücken war klar, die sehen mich hier nie wieder.


Also fiel die Wahl auf ein Diakonissen Krankenhaus in dem man noch „atmen“ kann und Menschlichkeit spürt.


Bis am Tag der Geburt hatte ich immer noch die Hoffnung, dass es sich lediglich um eine Fehlhaltung (lagebedingt im Mutterleib) handelt und nicht um eine Fehlstellung.


Vielen lieben Dank an die mir vom Himmel geschickte Hebamme die trotz ihres zarten Alters und ohne Jahrzehntelanger Erfahrung oder vielleicht gerade deshalb herausragende Arbeit geleistet hat.


Nachdem mein erstes Kind nach 15 Stunden gesund geboren war kam aus meinem Mund: „Wie sind die Füße?“ Die Hebamme hatte die Füße mit einem Handtuch verdeckt und sagt zu mir: „Sehen Sie sich doch erstmal Ihr Kind an!“


Nach 15 Wochen und 4 Tagen Schwangerschaft in der sich fast alles nur noch um die Eisbärfüßchen wie im Tunnelblick gedreht hatte, habe ich den Blick für das große ganze fast verloren. Vielen Dank für diese warme Wendung weg von zirka 20 Ultraschalluntersuchungen, Softmarkern und das Abwägen von möglichen Therapien. Meine Plazenta war übrigens völlig in Ordnung.


Ist es nun vorteilhaft die Erkrankung bereits in der Schwangerschaft zu erfahren? Eine schöne und glückliche Schwangerschaft sieht sicherlich anders aus. Richtig vorbereiten kann man sich zudem wohl nie. Weil man nicht einschätzen kann was auf einem letztendlich nach der Geburt zukommt. Ich bin der Pränataldiagnostik trotz allem dankbar und freue mich über eine gesunde, rebellische Tochter und hoffe auf ein bestmögliches Endergebnis ihrer Eisbärfüßchen.





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